Unsere Wasserproblematik

Hier zur Dokumentation der erste Aufruf von SyKaPro vom Juli 2019 zur Lösung der Wasserproblematik. Die Fußnoten wurden für ein besseres Verständnis der Übersetzung beigefügt.

Das Wasserproblem unserer Nachbarschaft

Prosfigika ist der Name eines Häuserkomplexes im Zentrum von Athen, direkt neben dem Polizeihauptquartier G.A.D.A, dem Athener Berufungsgericht, dem Fußballstadion von Panathinaikos F.C. und den Krankenhäusern ELPIS und Ag. Savvas. Der gesamte Komplex hat eine Grundfläche von 1,4 Hektar und seine 179 Wohneinheiten sind größtenteils besetzt und bewohnt.

Seit 2002, als der neue Zyklus aus Repression und Plünderung unter dem Vorwand der Stadterneuerung anlässlich der bevorstehenden Olympischen Spiele 2004 begann, dauern die staatlichen Bemühungen zur Rückeroberung des Viertels ununterbrochen an.
Die Versuche, unsere Nachbarschaft zu verkaufen und abzureissen, scheiterten mit der offiziellen Anerkennung des Viertels als architektonisches und geschichtliches Nationaldenkmal. Es folgte der Versuch, die Nachbarschaft durch die Invasion kleiner Drogengangs unter Protektion der G.A.D.A. auszuhöhlen und die Freiräume durch sie auszubeuten.

Eine Antwort auf die neuen Pläne zur Unterdrückung waren die Besetzungen und damit einhergehend die neuen Leute, die innerhalb der Nachbarschaft arbeiten. Einige dieser Leute waren später unter den Gründer*innen der Gemeinschaft und der Versammlung der Prosfigika-Besetzung (Sy.Ka.Pro). Ihr Engagement, das Leben in die Nachbarschaft gebracht hat, dauert nun schon zehn Jahre an. Die Selbstorganisierung, die 400 bis 500 dauerhaften Bewohner*innen, die kommunalen Strukturen (Versammlungsräumlichkeiten, kollektive Küche, kollektives Containern, kollektive Bäckerei, Internet, Kindergarten und Café) haben aus der Nachbarschaft die zahlen- und flächenmäßig größte Besetzer*innengemeinschaft auf dem griechischen Territorium gemacht, die darüber hinaus Teil von sozialen, Klassen- und internationalen Kämpfen ist.

Jedoch gab es neben den direkten staatlichen Angriffen auch noch andere Strategien zur Zerstörung des Widerstandes und der kollektiven Kämpfe der Squatter*innen: das unterbrechen von Strom- und Wasserversorgung, politische Gerichtsprozesse gegen Besetzer*innen etc.

Während all dieser Jahre haben sowohl die Versammlung von Prosfigika (Sy.Ka.Pro) als auch die neuen Freund*innen durch ihre Teilnahme, ihre Entschlossenheit und Beharrlichkeit versucht, den befreiten Raum in der Nachbarschaft am Leben zu erhalten oder gar noch auszubauen. Durch die Kämpfe, die geschlagen wurden, durch die kollektiven Strukturen, durch die Beziehungen und die Enteignung von neuen Häusern haben wir heute das Ziel erreicht, in allen acht Blöcken, aus denen das Viertel besteht, die Gemeinschaft zu verankern.

Gleichzeitig bewegen sich die staatlichen und parteipolitischen Mechanismen in ihrer Feindschaft zu unserem Kampf und entwerfen neue Pläne für die Plünderung und Eroberung unseres Viertels.

Genauer gesagt…

Heute leben in unserer Nachbarschaft alle möglichen unterdrückten Menschen. Migrant*innen, Geflüchtete, Familien und ihre Kinder, Alte, ehemals Obdachlose, politische Kämpfer*innen etc. Es handelt sich um ein multinationales und multikulturelles Gebiet in die der Staat versucht durch Gewaltandrohung zu intervenieren. Gleichzeitig wird die Gentrifizierung des ganzen Stadtteils Ambelokipi geplant.

Under diesen Umständen finden die staatlichen Mechanismen unterschiedlichste Methoden gegen uns. Ein Schwachpunkt von Prosfigika ist das Abwassersystem, welches sehr alt und aufgrund der benötigten Mittel gerade nicht lösbar ist. Der Staat beanstandet es aus hygienischen Gründen und die Wasserwerke machen ständig Fotos vom stehenden Wasser und den Moskitos im Viertel.
Gleichwohl handelt es sich um ein Problem, das tatsächlich das Leben der Menschen hier betrifft. Eine Lösung muss von unserem gemeinsamen, selbstorganisierten Kampf kommen. Der Staat interessiert sich nicht für die Leute die hier Leben. Für sie sind wir nur eine Dissonanz in ihren Plänen für das Athener Zentrum und ihre größte Sorge ist die Fassade von Prosfigika. Die Nachbarschaft soll in das Image der Gentrifizierung passen.

Aber an diesem Punkt gibt es einen Widerspruch. Wie bereits erwähnt wurde, wurden alle griechischen Prosfigikas¹ zum historischen Denkmal erklärt. Ihre Geschichte begann in den 1930er Jahren. Der griechische Staat baute die Häuser zwischen 1933 und 1935 als Lösung für den Wohnungsmangel in Folge der kleinasiatischen Katastrophe², die hunderttausende Flüchtlinge in der Hauptstadt stranden lies.
Im Dezember 1944, während den Ereignissen der “Decemvriana”³ wurden “unsere” Flüchlingshäuser an der Alexandras Straße von Einschüssen gezeichnet. Damals kämpften die linken Kräfte erbittert gegen die Britischen Truppen und die Griechischen Regierungsstreitkräfte. Viele der Kämpfer*innen fanden in den sympatisierenden Prosfigikas Unterschlupf, was zu großen Schäden an den Gebäuden durch britischen Beschuss führte. Während der Diktatur (1967-1974) wurden die Prosfigikas auch als Gefängnisse für politische Gefangene genutzt.

Soviel dazu, warum die Prosfigikas für schutzwürdig gehalten werden und daher nicht einmal vom Staat die Fassade verändert werden darf. Aus diesem Grund versucht der Staat, eine alternative “humanitäre” Lösung (wie die Umwandlung in Gästehäuser für die Verwandten von Patienten des Krankenhauses) herbeizuführen. Der erste Block soll ein Museum werden. Es handelt sich hierbei um ein klassisches Beispiel des staatlichen Vergessens. Die Mentalität, die die glorreichen Kämpfe der Vergangenheit in die Geschichte einordnet, indem die Kämpfer*innen von heute kriminalisiert werden, um zu beweisen, dass wir heute in einer Zeit der Demokratie und des Friedens leben, die revolutionäre Kämpfe überflüssig macht.

Die sofortige Erneuerung des Abwassersystems wird uns nicht nur vor den Eingriffen der Hygiene-Polizei schützen, sondern wird auch die Lebensqualität der Bewohner*innen von Prosfigika erhöhen.

Wir brauchen die politische, die materielle und finanzielle Unterstützung von allen, die den Kampf des besetzten Prosfigika darin stärken wollen, eine autonome Gemeinschaft zu bleiben. Wenn wir das Problem nicht gelöst kriegen, wird der Staat….

Praktisch bedeutet das für uns, die fast hundert Jahre alten, verstopften Rohrleitungen der Nachbarschaft auszutauschen. Wir benötigen dazu einige Kilometer Rohre, das Werkzeug und Menschen, die diese bedienen können. Für das Trinkwasser planen wir den Kauf von Filtern.

Dieser Text ist sowohl ein erster Aufruf für eine internationale Kampagne um Geld für die Wasserversorgung aufzutreiben als auch ein Teil unseres größeren Plans, um staatliche Angriffen begegnen zu können.

Ihr könnt uns unter sykapro.squat@riseup.net kontaktieren.

Wir machen das Polizeihauptquartier zu einem Museum!
Hände weg von Prosfigika!

Juli 2019

¹Das Prosfigika an der Alexandras Straße ist nur eines von vielen Vierteln, die eigens dazu gebaut wurden, den Zustrom an Menschen aus Kleinasien zu bewältigen
²Als kleinasiatische Katastrophe bezeichnet die griechische Sprache die Ereignisse im Griechisch-Türkischen Krieg von 1919 bis 1922, die zur territorialen Neuordnung der Region und zur Zertrennung der Bevölkerung entlang der konfessionellen Grenze orthodox-muslimisch führten. Die Orthodoxen wurden der Griechischen und die Moslems der Türkischen Nation zugeordnet. Millionen von Menschen wurden dadurch zur Umsiedlung gezwungen.
³Decemvriana bezeichnet die bewaffneten Konfrontationen im Dezember 1944 in Athen, die durch die Machtkämpfe nach dem Sieg über die Achsenmächte ausgelöst wurden. Dabei unterlagen die linken Kräfte, die maßgeblich an der Befreiung Griechenlands aus eigener Kraft beteiligt waren. Die Pro-Britischen Kräfte gewannen und es kam in der Folge zum Bürgerkrieg.